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Die Stäbe der Macht Teil 7

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Der kleine Mann war gerade aufgestanden, als es an der Tür klopfte. Wer wagt es an meine Tür zu klopfen? Widerwillig ging er zur Tür um sie zu öffnen. Vor ihm stand das Mädchen.
„Was macht Ihr so früh hier?“
„Seid mir nicht böse Marras, aber ich muss Euch etwas fragen.“
„Kommt erst einmal herein.“
Marras bot Diandra einen Becher Tee an. Dann setzte er sich zu ihr.
„Was ist so wichtig, dass Ihr es mich so früh fragen müsst? Ich bin gerade erst aufgestanden.“
„Glaubt Ihr an Visionen?
„Visionen zeigen uns Wege, die wir gehen oder meiden können. Sie zeigen uns die Zukunft!“
Das Mädchen fing an zu lächeln, nahm ihren Becher und trank einen großen Schluck Tee.
„Ich hatte heute Nacht eine Vision! Sie zeigte mir einen feurig lodernden Schlund, aus dem mich Augen anstarrten. Sollte das ein Blick in die Hölle gewesen sein?“
„Ein lodernder Schlund? Ich wüsste nur einen Ort, den ich mit einem Schlund in Verbindung bringen würde.“
Marras machte dabei ein sehr ernstes Gesicht.
Diandra war etwas verunsichert.
„Diandra, vielleicht solltet ihr Euch auf den Weg machen. Direkt zum Drachengebirge.“
„Ins Drachengebirge?“
Sie kannte das Gebirge nur vom Namen her. Ihre Großmutter erzählte einmal, dass jenes Gebirge östlich der Bucht von Wook lag.
„Ja! Dort gibt es die Drachenschmiede. Zwerge haben den Legenden zufolge dort besondere Waffen geschmiedet. Vielleicht liegt dort die Antwort auf Dein Schicksal.“
Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken. Alten Geschichten nach sollte dort oben immer noch ein Drache wohnen. Aber wenn es ihr Schicksal sein sollte, dort hinzugehen, dann wollte sie es tun.
„Marras, ich danke Euch. Morgen werde ich mich auf den Weg machen. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.“
„Das wäre schön…“
Kurz darauf verließ sie sein Haus. Diandra ging zurück in die Stadt. Es war noch Proviant zu kaufen und eine neue Decke brauchte sie auch. Je mehr sie über Marras Worte nachdachte, desto überzeugter war sie, das richtige zu tun.
Ich werde mich meinem Schicksal stellen!

© 2000/2023 T.R. aka Wortman

Die Stäbe der Macht Teil 6

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„He, Fremder! Du kannst herunterkommen. Die Wölfe sind weg!“
Wortlos begann die Gestalt den Ästen folgend den Baum herabzuklettern.
Das erste, was Marras sah, waren weißblonde lange Haare.
„Eine Frau?“, entfuhr es ihm unwillkürlich.
„Habt Ihr noch nie eine Frau gesehen?“
Diandra ärgerte sich über den Tonfall des Fremden.
„Natürlich! Ich habe mich nur gewundert, eine Frau alleine hier mitten in der Nacht im Wald vorzufinden.“
Dem Mädchen steckte noch die Angst in den Gliedern, trotzdem zwang sie sich zu einem Lächeln.
„Ich bin Diandra und auf dem Weg nach Mika. Ich danke Euch für die Hilfe.“
„Das habe ich gerne gemacht. Außerdem kann ich die Wolfsfelle und das Fleisch gut gebrauchen. Ich heiße übrigens Marras.“
„Wo kommt Ihr her?“
„Ich komme von dort“, begann er zu grinsen, „wo Ihr hinwollt. Aus Mika! Meine Felle habe ich jetzt. Wenn Ihr wollt, begleite ich Euch. Denn gut zwei Tage werden wir noch brauchen.“
Das Mädchen war einverstanden. Während er das Feuer wieder entfachte, war das Mädchen schon eingeschlafen. Die ganze Aufregung schien sie sehr erschöpft zu haben.
Am nächsten Morgen baute er gerade eine Trage für den Transport der Wölfe, als sie endlich erwachte.
„Ihr habt geschlafen wie ein Stein. Euch hätte man wegtragen können und Ihr hättet es nicht einmal bemerkt.“
Natürlich erzählte er ihr nicht, dass er sie noch lange angeschaut hatte. Mit ihren weißblonden Haaren wirkte sie im Schlaf wie ein Engel auf ihn. Es dauerte noch eine Stunde, bis er mit seiner Trage fertig war. Dann brachen sie auf.

Nach fast zwei Tagen erreichten sie Mika. Schon von weitem drang ihnen der Duft frisch geräucherter Fische in die Nasen. Während ihrer gemeinsamen Reise erzählte das Mädchen ihm alles von dem Unbekannten, den Schattenrittern und ihrem Versuch, diesen Fremden zu finden.
Marras fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Schattenritter zurückkehren könnten. Er selbst kannte sie auch nur aus den alten Geschichten, die man sich überall erzählte.
Es war schon Nachmittag, als sie endlich in Mika eintrafen. Nur wenige Boote lagen im Hafen. Die meisten Fischer waren noch draußen oder fuhren Reisende zu den Inseln oder nach Tharmahn, dem zweitgrößten Land nach Wook. Tharmahn lag im Süden von Wook und erstreckte sich vom Westmeer bis ins Ostmeer. Am Hafen trennten sich die beiden.
„Wenn Ihr mich besuchen wollt, ich wohne am nördlichen Ende von Mika. Es ist nicht zu übersehen.“ Er zeigte mit der Hand auf die Trage. „Draußen hängen immer Felle herum.“
Diandra bedankte sich für die Einladung. Zuerst wollte sie aber versuchen, etwas über den Unbekannten in Erfahrung zu bringen. Den restlichen Nachmittag verbrachte sie damit, sich in den verschiedensten Schänken aufzuhalten, auf dem Marktplatz den Menschen zuzuhören oder auch die Fischern nach einem besonderen Passagier zu fragen. Aber niemand wusste etwas. Am Abend entschloss sie sich, unten am Strand zu übernachten. Es war ein sternenklarer Abend und die Luft war angenehm. Sie rollte sich in ihre Decke und schlief augenblicklich ein.
Ein feuriger Schlund tat sich auf. Flammen loderten. Etwas kam aus dem Feuer. Ein Augenpaar starrte sie an. Dann sah sie den Fremden. Er streckte seine Hand aus und…
Diandra schrak hoch. Wieder einmal hatte sie eine Vision heimgesucht. Das Bild des feurigen Schlundes war immer noch in ihrem Kopf. Das musste ein Zeichen sein. Gleich morgen früh wollte das Mädchen ihren Retter Marras aufsuchen. Vielleicht wusste er, was es mit diesem Schlund auf sich hatte.

© 2000/2023 T.R. aka Wortman

Die Stäbe der Macht Teil 5

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Hinter den Bäumen sah sie leuchtende Augenpaare. Wölfe! durchzuckte sie ein Gedanke.
Das Feuer war im Begriff auszugehen und ihr Wanderstock war keine ausreichende Waffe. Das Messer auch nicht. Sie ließ ihren Blick streifen, um eine Möglichkeit zu finden, den Wölfen auszuweichen. Langsam kamen die Tiere auf sie zu. Dann erblickte das Mädchen einen Baum, dessen Äste niedrig genug waren, um dort schnell heraufklettern zu können. Schnell warf sie ein paar glühende Scheite in Richtung der Wölfe, dann lief sie los.
Ich muss es schaffen! Sie dürfen mich nicht kriegen! Während sie rannte, hörte sie das Jaulen der Wölfe, spürte schon den stinkenden Atem in ihrem Nacken. Die Tiere kamen unaufhaltsam immer näher…

Marras war ein kleiner, schlanker Mann. Viele lachten ihn wegen seiner geringen Größe aus. Nannten ihn Zwerg oder laufender Pilz, aber das störte ihn wenig. Er war ein guter Jäger. Wenn Marras jagen ging, kam er nie ohne Beute wieder nach Hause. Dieses Mal war er schon zwei Tage unterwegs und weit weg von Mika, seiner Heimatstadt. Die meisten Männer in Mika waren Fischer. Doch für ihn hatte es immer nur die Jagd gegeben. Als Kind war er schon mit einem selbstgebastelten Bogen durch die Wälder gerannt.
Vor kurzem hatte er Wolfsspuren entdeckt. Wenn ein paar Wölfe zu bekommen waren, würde es sich lohnen. Ein Wolfsmantel brachte gutes Geld. Jetzt saß Marras auf einem Baum und versuchte, irgendwelche Bewegungen in der Umgebung zu entdecken. Als er sich umdrehte, sah er nicht weit entfernt ein Licht flackern.
Anscheinend übernachtet hier jemand im Wald. Dann sind mit Sicherheit die Wölfe nicht weit. In Gedanken war er längst am Feuer. Plötzlich hörte er das Jaulen der Wölfe.
„Verdammt, beeil Dich! Die Viecher überfallen das Nachtlager“, schrie er sich selbst an.
Mit drei Sätzen war er vom Baum herunter. Marras rannte in Richtung des Lichtscheines. Bald erreichte er den Rand einer Lichtung. Auf der anderen Seite sah er jemanden im Baum sitzen, während die Wölfe darunter ihre Kreise zogen. Langsam kletterte er auf einen der Bäume.
Jetzt geht es euch an den Kragen, dachte er und schon verließ der erste Pfeil seinen Bogen. Einer der Wölfe überschlug sich und blieb unterhalb des Baumes liegen. Erst als ein weiteres Tier getroffen zusammenbrach, verschwanden die restlichen Tiere im Dunkel des Waldes. Schnell sprang Marras vom Baum herunter. Er lief auf die andere Seite.

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Die Stäbe der Macht Teil 4

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„Diese Reiter sind“, er machte eine kleine Pause, „die Schattenritter! Nur sie können es sein!“
Blitzartig wich die Farbe aus Raggas Gesicht.
„Schattenkrieger. Chaos. Sollten Diandras Visionen bedeuten, dass diese Kreaturen zurückkommen?“
Talogh starrte geistesabwesend ins Leere. Langsam hob er den Kopf, schaute die alte Frau an.
„Es hat ganz den Anschein. Der einzelne Mann in Diandras Visionen könnte der Schlüssel zur Wahrheit sein.“
„Aber was tun wir, Talogh?“
„Wir können nichts anderes tun, als abzuwarten. Da sie und dieser Mann irgendwie verbunden zu sein scheinen, wird er bald hier im Dorf auftauchen. Da bin ich mir sicher.“
Ragga blickte nachdenklich auf den Boden.
„Denkst Du, wir werden ihn erkennen? Meinst Du, es ist ratsam, die anderen Dorfbewohner zu informieren?“
Der Älteste stand auf.
„Wir werden es bemerken, wenn er kommt. Wir werden den anderen nichts sagen! Lass uns abwarten. Geh jetzt nach Hause. Ich muss in Ruhe nachdenken.“
„Das ist, glaube ich, im Moment das Vernünftigste.“
Die Frau stand auf, verabschiedete sich und ging mit schnellen Schritten zurück zu ihrer Hütte.

Schon früh am Morgen war Diandra bei ihrer Großmutter aufgetaucht. Sie war so durcheinander, dass sie fast die ganze Nacht nicht geschlafen hatte.
„Was hat der Älteste gesagt?“ Ungeduldig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her.
„Die Zeichen stehen nicht gut! Es hat den Anschein, als würden die Schattenritter wieder erwachen. Dann versinkt das ganze Land im Chaos. Blut und Tod regieren.“
„Kann denn niemand sie aufhalten? Irgendjemand muss es doch tun können!“
Ragga rührte ihren Tee um, nahm einen großen Schluck und stellte den Becher wieder auf den Tisch.
„Der Älteste glaubt, der Mann in Deinen Visionen ist der Schlüssel zur Rettung. Er meint, Du wärst irgendwie mit diesem Fremden verbunden, so dass er hierher kommen würde.“
„Ich kann nicht warten, bis er hier auftaucht!“
„Bist Du Dir sicher?“
Ragga schaute ihre Enkelin fragend an.
„Ja, dass bin ich! Wenn es mein Los ist, diesen Mann zu treffen, wird es auch so geschehen“.
Mit diesen Worten stand das Mädchen auf, um sich zum Gehen abzuwenden. Sie wusste jetzt, es würde keine andere Möglichkeit geben. Sie hoffte nur, Ragga würde es verstehen.

Es dauerte noch einen ganzen Tag, bis Diandra alles vorbereitet hatte. Sie streifte sich ihren Reisesack über die Schulter. Am Gürtel hing ein Messer und eine Wasserflasche. Sie wollte zuerst nach Nordwesten über die Ebene. Dort, an der Spitze der Dreiecksbucht lag Mika, ein größeres Fischerdorf. Die Fischer aus Mika ware gute Seefahrer. Oft fuhren sie auch Reisende nach Paln oder Syhx, zwei Inseln, die hier im Westmeer zwischen Wook und Tharmahn lagen. Sie hoffte, in Mika etwas über diesen Fremden zu erfahren, ohne zu wissen, wonach und worüber sie eigentlich Fragen stellen sollte.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie sich endgültig auf die Reise machte. Ragga hatte ihr Ratschläge und Wünsche mit auf den Weg gegeben. Außerdem einen Wanderstock, da sie der Meinung war, ohne ihn wäre die Reise für Diandra zu schwer. Das Mädchen hatte den Stock durch die Schlaufe ihres Reisesackes gesteckt. Sie wollte ihn erst benutzen, wenn es unumgänglich wäre.
Bis zur Dämmerung hatte sie schon einen ganzen Teil der Ebene hinter sich gebracht. Am Horizont konnte sie schemenhaft den Ausläufer des Waldes erkennen, hinter dem sich die Dreiecksbucht und Mika befand.
Als die Sonne unterging schlug sie ihr Lager auf.
Bis morgen Abend will ich im Wald sein. Dann ist es nicht mehr weit. Mit diesen Gedanken schlief sie ein.
Der nächste Tag verlief recht ereignislos. Nur hin und wieder begegnete ihr ein Reiter. Am Abend hatte sie bereits einen kleinen Teil des Waldes durchquert. Sie fand eine kleine Lichtung und beschloss, hier ihr Nachtlager aufzuschlagen. Die junge Frau hatte ein paar Stunden geschlafen, als Geräusche sie aus dem Schlaf rissen. Schnell sprang sie auf. Ihr Lagerfeuer war fast ausgebrannt.

© 2000/2023 T.R. aka Wortman

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