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Die Stäbe der Macht Teil 1

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Prolog

Die Schattenritter wurden besiegt!
Das Chaos löste sich auf.
Das Böse verschwand.
Das Leben kam zurück.
Die Liebe auch.
Die Welt wurde befreit.

Darkon sprach einen Bann aus.
Die Schattenritter wurden darin gefangen.
1000 Jahre Frieden.

Aus dem Buch der Prophezeihungen
1. Kapitel

 

1.
Der Magier

Es war ein lauer Sommerabend. Der Sonnenuntergang so schön wie nie. Thorkal, der Magier und Heiler, beobachtete den malerischen Himmel. Er war jetzt fünfzig Jahre alt. Ein Mann von großer, schlanker Gestalt. Sein langes weißes Haar hob sich leuchtend von seinen azurblauen Gewändern ab.
Seit dreißig Jahren wohnte er nun schon in diesem Turm, der an der Bucht von Wook auf einer Steilklippe stand. Zum Inneren des Landes schirmte ihn ein riesiges Waldgebiet ab. Wer zu ihm wollte, musste tagelang durch die Wälder reisen. Aber schon seit Wochen hatte niemand mehr den Weg zu ihm gefunden. Er las im Buch der Prophezeiungen.

6. Kapitel

Die Macht ist gebrochen.
Das Dunkle ist vergangen.
Die Thamor-Steine.
Ihr Licht strahlt hell.
Das Land wird beschützt.

Thorkal lehnte sich zurück.
„Die Thamor-Steine. Sie sind schon lange verschwunden. Aber auch ohne sie haben wir Frieden.“
Langsam erhob er sich, und stieg die Stufen zu seinem Schlafraum oben im Turm hinauf. Der Magier war müde.
Es ist seit ewigen Zeiten Frieden. Was sollte dies schon ändern können?
Mit diesen Gedanken schlief er ein.
Die Nacht brach herein und der Turm hob sich im glänzenden Mondlicht ab wie ein Finger, der jedem zeigen wollte, wie schön die Sterne leuchteten.

**

Der Reiter trieb sein Pferd im wilden Galopp durch die Felder, als wäre er vor jemanden auf der Flucht. Er hatte die dichten Wälder von Harmha durchquert und in der Nacht den Blutfluss erreicht. Der Fluss trug seinen Namen wegen der roten Wassergräser. Sie wuchsen so zahlreich, dass das Wasser in einem leuchtenden Rot schimmerte. Nachdem der Fährmann ihn übergesetzt hatte, erreichte der Mann im Morgengrauen das Dorf Dragor. Es lag am Rande des Drachengebirges. Den Legenden zufolge sollte immer noch ein Drache dort oben in den Gipfeln leben. In einem ewigen Schlaf.
Er ritt durch das Dorf und hielt schließlich an der Schmiede an. Borcus der Schmied, ein kleiner kräftiger Mann mit schwarzen Haaren, kam herausgelaufen.
„Hat Dich der Teufel gehetzt?“
„Nein, nein“, antwortete der Mann und glitt erschöpft vom Pferd herunter. „Ich bin in Eile!“
Der Schmied schüttelte den Kopf und schaute sich den Reiter genauer an. Solch eine Kleidung hatte er noch nie gesehen. Das machte ihn neugierig.
„Woher kommst Du Fremder?“
„Mein Name ist Caleb. Ich komme aus Maarl.“
Borcus zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er kannte die Insel Maarl nur vom Hörensagen. Sie lag im Südosten von Wook.
„Aus Maarl? Was bringt Dich hierher?“
Caleb wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Ich bin ein Bote.“
„Wenn jemand solch eine weite Reise macht, muss es schon etwas Besonderes sein.“
„Mag sein. Du kannst mir aber bestimmt erzählen, wo ich den Magier Thorkal finde, oder?“
„Thorkal?“
Borcus setzte sich auf den großen Stein vor seiner Schmiede.
„Es sind noch zwei Tagesritte. Du musst gen Norden reiten. Zur Bucht von Wook. Sie ist von einer Steilklippe umgeben. Du kannst sie nicht verfehlen.“
Er gab dem Boten ein neues Pferd und wünschte ihm Glück. Der Schmied schaute ihm noch hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war. Sofort lief er zum Dorfältesten und erzählte ihm alles.
Der Älteste stand auf, ging nachdenklich auf und ab.
„Schmied! Es wird Veränderungen geben!“

**

Es war Mittag. Thorkal stand auf seinem Turm und schaute über das Land. Sein Blick wanderte nach Osten. Er konnte das Drachengebirge sehen. Auf der Ostseite des Gebirges befand sich die Drachenburg, eine riesige schwarze Burg, die einst von Drachen bewohnt wurde. Heute mieden die Bewohner der Dörfer diese Burg. Niemand wagte sich in ihre Nähe. Nicht nur, weil sie glaubten, dort schliefe noch eines dieser Ungeheuer. Die Alten erzählten, dass die Seelen der Drachen noch in der Burg umherirrten und jeden töteten, der es wagte, ihre Ruhe zu stören. Unterhalb der Burg entsprang der Drachenfluss. Er floss nach Osten und mündete im Meer. Im Süden, hinter den riesigen Wäldern, lag der Grenzfluss. Man hatte ihn diesen Namen gegeben, weil er Wook wie eine Grenze in der Mitte teilte.
Während Thorkal seinen Blick weiter nach Westen wandern ließ, stiegen plötzlich Schwärme von aufgeschreckten Vögeln in die Luft.
„Irgendetwas rast durch den Wald. Ein Besucher scheint es nicht zu sein.“
Der Magier entschloss sich, erst einmal abzuwarten.
„Von hier oben kann ich es besser beobachten.“
Es dauerte nicht lange. Ein Reiter kam aus dem Wald heraus gejagt. Er hielt direkt auf den Turm zu.
„Es scheint, als könne mich da jemand nicht schnell genug erreichen…“
Mit diesen Worten machte Thorkal sich auf den Weg und stieg die Stufen hinunter. Unten angekommen dauerte es nur wenige Minuten, bis der Fremde ihn erreichte. Er trat dem Reiter entgegen.
„Mein Name ist Thorkal. Was führt Dich in dieser Eile zu mir?“
Caleb sprang von seinem Pferd.
„Endlich habe ich Euch gefunden. Silvaine, die Priesterin von Maarl, schickt mich. Ich bringe schlechte Nachrichten!“
Nachdem sie in den Turm gegangen waren, griff Caleb unter seinen Umhang und gab dem Magier eine Schriftrolle.
„Ihr müsst sie sofort lesen! Gebt mir dann eine Antwort, und ich reite sofort zurück zu meiner Herrin.“
Er nahm die Schriftrolle an sich, und setzte sich auf seinen alten Sessel.
„Was könnte so wichtig sein, dass ein Bote sich bald zu Tode hetzt, um mir diese Nachricht zu überbringen?”
„Ich weiß es nicht, Herr. Mir wurde nur gesagt, dass es schlechte Nachrichten seien und ich diese Rolle so schnell wie möglich zu Euch bringen solle. Mehr weiß ich nicht.“
Während Caleb sich das angebotene kleine Brot nahm, öffnete Thorkal die Rolle. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.

Meister Thorkal.

Die Zeit des Friedens neigt sich dem Ende zu.
Alle Zeichen besagen, dass die Auferstehung
der Schattenritter bevorsteht! Ihr wisst, was
das bedeutet! Macht Euch auf die Suche nach
den Thamor-Steinen. Nur sie allein können den
Schattenrittern Einhalt gebieten. In den alten
Schriftrollen heißt es, die Steine werden ihrem
Träger den Weg weisen. Doch wo Ihr sie finden
könnt, ist nicht niedergeschrieben. Wenn Ihr
meine Hilfe braucht, dann lasst es mich wissen.
Ich wünsche Euch viel Glück bei der Suche.

Silvaine
Priesterin von Maarl

Der Magier ließ den Brief fallen. Mit versteinerter Miene schaute er auf den Boten.
„Sage Deiner Herrin, ich werde mich auf die Suche machen!“
Der Bote verneigte sich und verließ den Turm. Draußen schwang er sich auf sein Pferd, hob die Hand zum Gruß und ritt mit hohem Tempo davon.
Thorkal kehrte vom Fenster zurück. Er setzte sich wieder in seinen Sessel.
Wie soll ich die Steine finden? Wo soll ich anfangen zu suchen? Ich weiß es nicht!

© 2000/2020 T.R. aka Wortman

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Goban und Caseal Teil 2

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Ein Geräusch ließ Caseal erschrocken hochfahren. Kerzengrade saß sie im Bett und schaute in die Dunkelheit ihres Zimmers. Das Dunkle schien sich zu bewegen, ein Schatten sich zu formen, schwärzer als die Dunkelheit. Sie wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Caseal zitterte, als sie die Kerzen neben ihrem Bett anzündete.
Goban stand am Fußende vor ihrem Bett! Wie erstarrt blickte sie ihn an.
„Ihr?“
Er sah sie lange an.
„Ich bin gekommen, um euch etwas zu geben.“
Caseals Haut schien zu vibrieren, bei seiner tiefen und dunklen Stimme.
„Mir zu geben? Was wollt ihr mir geben?“
„Fragt nicht. Nehmt dieses hier.“
Er reichte der Frau einen kleinen ledernen Beutel.
„Öffnet ihn und ihr werdet verstehen. Wenn nicht, vergesst mich wieder!“
Ein leicht scharfer Unterton lag in seinem letzten Satz. Noch während des Sprechens drehte Goban sich um. Sein schwarzer Umhang schien mit der Dunkelheit des Raumes zu verschmelzen. Augenblicke später war er verschwunden.
Caseal schaute den kleinen Beutel in ihrer Hand an.
„Öffnen und verstehen, nicht verstehen und ihn vergessen? Ist das ein Test?“
Leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, als sie merkte, dass sie ein Selbstgespräch führte.
„Es muss einer ein. Er will wissen, ob ich seine Caseal bin!“
Hin und her gerissen zwischen Neugier und der Furcht, beschloss sie, den Beutel nicht zu öffnen und bis zum Morgen zu warten. Sie schlief den Rest der Nacht sehr unruhig.

Als Caseal aufwachte, suchte ihr Blick sofort den Beutel. Sie griff danach und setzte sich auf die Bettkante. Langsam öffnete sie die Bänder und zog die Öffnung auseinander. Vorsichtig schüttete Caseal den Inhalt auf ihre Handfläche. Im gleichen Moment schien etwas nach ihrem Geist zu greifen.
Goban zuckte zusammen. Er wusste nun, sie hatte den Beutel geöffnet.
Ra’Tok, das Seelenschwert, leuchtete rot in seiner Hand. Er liebte diesen Gesang der Seelen, wenn sein Schwert den Gegner traf und ihn tötete. Jeder Gefallene verfeinerte den Gesang des Schwertes beim nächsten Hieb.

Bilder.
Tausende von Bilder.
Wie eine gewaltige Flut durchströmten Erinnerungen Caseals Geist. Zeigten Ereignisse vergangener Zeiten. Kriege, Finsternis, Tod, aber auch Momente der Freude und des Friedens.
Langsam wurde der jungen Frau bewusst, dass sie Caseal war. Die Caseal, nach der Goban seit Ewigkeiten suchte. Sie fühlte sich befreit.
In Gedanken rief sie seinen Namen. Ihr war klar, er würde diese Stimme hören.

Eine kleine Lichtung tauchte vor Goban auf. Eine Hütte stand auf der anderen Seite am Waldesrand. Er stieg vom Pferd und ging über die Lichtung.
„Goban, seid gegrüßt.“
Der alte Mann stand plötzlich in der Tür.
„Seid ebenfalls gegrüßt Meister Teclin. Euch unter den Lebenden zu wissen, erfreut mich.“
„Nun, wie ihr seht, hab auch ich meine Fähigkeiten.“
Der Alte grinste und bat Goban hinein.
„Euren Fähigkeiten verdanke ich mein Leben Teclin.“
„Ihr seid ein Krieger der Finsternis gewesen, der durch die Liebe dieser Menschenfrau dem Licht näher gekommen ist. Mir war klar, auf euch warten große Aufgaben. Ihr musstet überleben!“
„Wie lange ist das her, Teclin?“
„Zeit ist für euch kein Begriff Goban. In Menschenjahren sind es mehr als zweihundert Jahre gewesen.“
Erinnerungen wurden wach. Goban war in einen Hinterhalt geraten. Der Herrscher der Finsternis hatte seine Elitekrieger geschickt um ihn zu töten. Im Kampf wurde er schwer verletzt. Teclin tauchte auf und blendete die Krieger mit seinem weißmagischen Licht. Um Goban zu retten, leitete er weiße Magie in seinen Körper. Auch wenn er langsam gesundete, die Kräfte der Finsternis ließen sich nicht in seinem Körper ausschalten.
Plötzlich schien ein Flüstern im Raum zu schweben. Eine weibliche Stimme, die Gobans Namen rief.
„Sie ist es!“ Der Krieger erhob sich.
„Mir scheint, ihr habt eure Suche beendet.“
„Ja,“ antwortete Goban knapp.
„Lasst mich euch noch etwas sagen. Seid auf der Hut. Die Finsternis wird es erfahren, dass eure Suche zu Ende ist. Achtet auf Caseal!“
„Darauf könnt ihr euch verlassen Meister Teclin. Ich werde nicht noch einmal zu spät kommen.“
Goban verabschiedete sich von Teclin, setzte sich auf sein Ross und ritt in den Wald hinein. Er kannte die Stimme und freute sich auf ein Wiedersehen. Es wurde Zeit, seiner Caseal gegenüber zu treten.

Die Sonne stand hoch am Himmel.
Caseal saß auf einer Bank am großen Brunnen. Ein schwarzer Reiter kam direkt auf sie zu. Die junge Frau sprang auf.
„Goban!“
Der Ritter stieg vom Pferd und kam auf sie zu.
„Caseal, durch alle Ewigkeiten hat sich nun mein Versprechen erfüllt. Wir sind wieder eins.“
Langsam sank Goban vor ihr auf die Knie.
Tränen liefen ihr übers Gesicht.
„Ihr seht mich glücklich weinen, euch, meinen Ritter wieder hier zu wissen. Erzählt mir von euren Entbehrungen, derweil ich euch gutes tue an Leib und Seele. Meine Burg sei euer Heim…“

Monate gingen ins Land. Immer wieder zog Goban aus, um Ra’Toks Hunger nach Seelen zu stillen. Caseal wartete geduldig auf seine Rückkehr um ihm Gutes zu tun.
Als er von seiner letzten Reise zurück kam, erwartete Caseal ihn schon am Burgtor. Er spürte, dass sich eine Veränderung mit Caseal vollzog. Kurze Zeit später saßen beide in ihrem Schlafgemach.
„Liebster, unsere Liebe hat ihre endgültige Erfüllung gefunden.“
„ Endgültige Erfüllung? Ihr meint…“
„Ja, das meine ich. In meinem Leib wächst ein neues Leben!“

Dunkler Nebel trieb über die Ödnis. Schwarze Türme ragten wie Finger aus dem Nebel. Kein Laut war zu hören.
Ein Tor öffnete sich und drei Krieger kamen heraus. Gleichzeitig stiegen sie auf ihre Rösser und ritten in den Nebel.
Wie Teclin es voraus gesehen hatte, war die Nachricht vom Erscheinen Caseals zum Herrscher der Finsternis vorgedrungen. Die drei Reiter kannten ihre Aufgabe. Nach Elimeré. Caseal und Goban finden und töten. Für ewig. Und die Reiter waren durstig. Durstig nach Blut und Tod. Zu lange hatten sie warten müssen auf diesen Tag.
Der dunkle Herrscher murmelte Beschwörungsformeln. Rund um Elimeré taten sich Gräber auf. Die Toten wurden gerufen.
„Vergesst nicht, was ich euch sagte!“
Der Herrscher drehte sich um. Vor ihm stand Lilia, die große Hexenmutter. Ihr langes schwarzes Gewand umspielte ihren wohlgeformten Körper.
„Denkt daran. Die Beiden müssen sterben! Die Caseal, die das Licht dieser Welt erblickt, wird dem Licht dienen und euch töten!“
„Dazu wird es nicht kommen. Die Toten sind gerufen und meine besten Krieger sind auf dem Weg nach Elimeré. Sie werden dieses Mal nicht versagen!“

Goban spürte die Finsternis. Er wusste, sie würden bald kommen. Ein weiteres Mal versuchen, Caseal und ihn zu töten.
Lautes Stimmengewirr drang durch die Korridore. Ein energisches Klopfen an der Tür ließ Caseal erschrocken zusammen zucken. Goban erhob sich vom Bett und öffnete die Tür. Vor ihm stand Elimerés Herrführer.
„Herr, Herrin, die Menschen sind in Aufruhr. Angst hat sie befallen.“
„Was ist passiert“, wollte Caseal wissen.
„Überall um Elimeré herum sind die Gräber geöffnet. Die Toten sind auferstanden.“
Goban schaute Caseal an.
„ Es ist soweit. Die Finsternis formiert sich zum Angriff.“

© 2006/20 T.R. aka Wortman

Goban und Caseal Teil 1

1 Kommentar

Ein warmer Windhauch strich über die kleine Lichtung am Rande des Dorfes. Eine große Schar Kinder saß im Halbkreis um einen alten Mann. Es war Karoc, der Geschichtenerzähler.
„Was möchtet ihr denn hören?“
„Erzähl uns von Goban“, riefen ein paar Jungen.
„Und von Caseal, der Lady aus Elemeré“, forderten einige Mädchen.
Der Alte lächelte: „Ihr habt einen guten Geschmack was Geschichten angeht. Dann lasst mich nun erzählen von Goban und Caseal, der Finsternis und dem Licht und einer ewigen Liebe“

In den südlichen Ländern lebte eine junge, schöne Frau. Ihr langes graues Haar glänzte in der Sonne, wenn sie in den Gärten von Elimeré umherwanderte. Elimeré, der kleine Landstrich an der Grenze zu Tagorien. Bei einem ihrer Ausritte stellten sich ihr drei Wegelagerer in den Weg. Bevor sie reagieren konnte, stürzten die Räuber sich auf sie und rissen die Frau vom Pferd. Zwei der Männer hielten sie fest, während der Dritte ihre Satteltaschen durchsuchte.
Wie aus dem Nichts stand er da! Ein Ritter in einer unbekannten Rüstung. Die Wegelagerer ließen von der Frau ab und stürzten sich mit lautem Geschrei auf den Fremden. Der hielt ein seltsames Schwert in der Hand und als er zuschlug, glaubte Caseal etwas zu hören. Ein leiser Gesang drang an ihr Ohr, als die Klinge dem ersten Angreifer den Kopf von den Schultern trennte. Nur Momente später lagen auch die anderen beiden Angreifer tot am Boden.
Erschrocken schaute Caseal zu den Toten.
„Ich stehe in eurer Schuld edler Herr.“
Sie erhielt keine Antwort und blickte in die Richtung, wo der Fremde stand. Doch sie war allein. Ihr Lebensretter war verschwunden.

Zurück in Elimeré ließ ihr der fremde Ritter keine Ruhe. Sie gab jeden, der nach Elimerè kam, eine Beschreibung des Unbekannten und fragte, ob sie etwas über diesen Mann wussten. Doch niemand konnte ihr eine Antwort geben. So vergingen mehrere Monate in denen Caseal immer wieder durch den Wald ritt, in der Hoffnung, ihren Retter wiederzusehen.
Der Sommer neigte sich dem Ende zu, als Reisende aus Venturien nach Elimeré kamen. Das Land lag sehr weit oben im Norden und nur selten kamen Menschen aus dieser Gegend in die südlichen Länder.
Caseal ging auf eine kleine Gruppe venturischer Händler zu. Sie beschrieb den schwarzen Ritter und fragte sie ebenfalls, ob sie ihn kannten. Viel Hoffnung war ihr nicht mehr geblieben. Um so überraschter war die junge Frau, als ein älterer Mann nickte.
„Ja Herrin, ich kenne ihn.“
Caseals Herzschlag beschleunigte sich.
„Sagt, wer ist dieser Ritter?“
„Eigentlich ist er eine Sage, Herrin.“
„Eine Sage? Ich sah ihn doch kämpfen. Für eine Sage war er sehr lebendig.“
Der alte Mann wirkte nachdenklich und zupfte dabei an seinem Bart herum.
„Es ist kein gutes Zeichen, dass er wieder da ist“, murmelte der Alte.
„Wieder da? Ihr sprecht in Rätseln.“ Caseal war verunsichert.
„Nun Herrin, ihr seid Goban begegnet. Seit zweihundert Jahren hat ihn keiner mehr gesehen. Daher ist der Name zu einer Sage geworden.“
Das Herz der jungen Frau raste immer noch, als sie den Händler bat, ihr alles zu erzählen, was er über Goban wusste. Dafür nahm sie ihn mit zur kleinen Taverne. Nachdem der Mann einen guten Schluck Wein getrunken hatte, fing er an zu erzählen.
„Vor allen Ewigkeiten, am Anbeginn der Zeit war Goban ein Krieger der Finsternis. Eines Tages verliebte er sich in den Anmut einer Menschenfrau namens Caseal. Sie zeigte ihm das Licht. Das war verboten und so ließ der Herrscher der Finsternis die Frau töten. Goban kam zu spät und als er die Sterbende in seinen Armen hielt, versprach er ihr, dass sie sich in einem anderen Leben, in einer anderen Zeit wiedersehen würden. Goban verbrannte die Tote und etwas von ihrer Asche steckte er in einen Beutel, den er fortan immer bei sich trug. Er wandte sich ab von der Finsternis und bekämpfte sie wo immer er auf deren Kreaturen traf. Seit dieser Zeit sucht er seine Geliebte in allen Leben und Zeitaltern die da waren und sein werden.“
Caseal hatte das Gefühl, ihr Herz würde stehen bleiben. Diese Frau, die Goban suchte, trug den gleichen Namen wie sie. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Sie schwankte bei der Namensgleichheit zwischen möglicher Bestimmung und purem Zufall. Sollte eine Wiedergeburt tatsächlich möglich sein? Die Frau schaute den Händler fragend an.
„Glaubt ihr, es bedeutet etwas, dass Goban jetzt wieder auftaucht?“
Ihre Stimme klang seltsam ruhig und doch spürte man eine gewisse freudige Erregung darin.
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
„Ich weiß es nicht Herrin. Es sind unruhige Zeiten. Vielleicht formiert sich die Finsternis neu.“

Vier Tage waren vergangen nach dem Gespräch mit dem Händler. Goban! Der Name hatte sich in ihre Seele gebrannt. Letzte Nacht wachte sie auf, weil sie im Schlaf seinen Namen rief. Je länger sie darüber nachdachte, glaubte sie immer weniger daran, dass alles nur Zufall sei. Der Mond strahlte hell durch das Turmfenster von Caseals Schlafgemach als sie sich schlafen legte. Ein kühler Windzug streifte ihr Gesicht. Sie hatte das Gefühl, als würde sie beobachtet werden. Ihr Blick konnte im Zimmer aber nichts ungewöhnliches entdecken. Schnell schlief sie ein.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Wieder ritt sie in den Wald, in der Hoffnung den schwarzen Ritter wiederzusehen. Mehrere Stunden verbrachte sie im Wald. Im Galopp machte sie sich auf den Rückweg. Sie sah Goban wie ein Flackern aus den Augenwinkeln am Wegesrand stehen, spürte ihn mehr, wie ein Kribbeln auf der Haut. Sie hielt ihr Pferd und drehte sich im Sattel um.
Goban war verschwunden.
In dieser Nacht schlief die junge Frau kaum. All ihre Gedanken drehten sich nur um den schwarzen Ritter. Das Gefühl, beobachtet zu werden blieb, aber es war nicht mehr so erschreckend oder unangenehm.

© 2006/20 T.R. aka Wortman

Gedanken zu einem anderen Teaser

4 Kommentare

Nachdem ich aus Spaß an der Freude einern kleinen Teaser zu „Goban & Caseal“ gebastelt hatte, sind mir gleich noch ein paar Dinge zu einer anderen Bildergeschichte eingefallen.
Schauen wir mal, wann ich da einen kleinen Teaser fertig bekomme.

Bild: T.R. aka Wortman

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