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Butchermen

Es klopfte an der Tür. Major Stapelton war so vertieft in seine Karten, dass er unwillkürlich zusammenzuckte.
„Herein!“
„Die Tür öffnete sich und sein Adjutant betrat den Raum.
„Entschuldigen Sie die Störung, Sir. Captain Roallins ist eingetroffen und wünscht sie zu sehen.“
„Roallins?“ Der Major war nicht begeistert, diesen Namen zu hören. Er mochte den Captain nicht. Roallins war blutrünstig und gnadenlos, seine Methoden nicht immer legal.
Das Einzige, das Captain Roallins vor einer ordentlichen Gerichtsverhandlung in der Heimat schützte, waren seine überaus großen Erfolge im Kampf gegen Piraten und andere Verbrecher. Stapelton räumte die Karten beiseite. Der Captain brauchte nicht zu wissen, was er plante.
„Ich lasse bitten“, sagte er zu seinem Adjutanten, als er mit Abräumen fertig war.
Der Angesprochene ging zurück zur Tür und öffnete sie.
„Captain Roallins, der Major wird Sie jetzt empfangen.“
Der Captain betrat den Raum, salutierte kurz und setzte sich auf den Sessel, den ihm der Major zuwies.
„Was führt euch her, Captain“, fragte der Major. „Euer Ruf hallt euch voraus. Was ich derzeit nicht gebrauchen kann, ist Aufruhr in Porto Verde.“
Die Ansage des Majors war klar und deutlich.
„Ich werde nicht lange bleiben, Major Stapelton. An der Ostseite der Küste soll es ein Piratenlager geben. Das werde ich ausmerzen. Der Rest meiner Männer kommt Morgen, im Laufe des Tages, hier an.“
Der Major überlegte kurz. Das bedeutete, spätestens in drei Tagen wäre der Captain wieder weg. Das passte ihm sehr gut.
„Gehe ich recht in der Annahme, ihr braucht Quartier für eure Männer, Captain?“
„Darum bin ich hier, Major.“
„Mein Adjutant wird euch eure Quartiere zeigen. Wollen Sie heute Abend mit mir speisen Captain? Zurzeit beherbergen wir Mister Weston.“
„Weston?“, unterbrach er Captain Stapelton. „Dieser dicke Kaufmann aus Port Royal?“
„Sie kennen ihn?“
„Nicht wirklich aber ich habe das Gerücht gehört, er könnte mit Piraten Geschäfte machen.“
Der Major schaute den Captain ernst an.
„Heute Abend möchte ich davon nichts hören. Sie werden beide meine Gäste sein.“
Captain Roallins zog mürrisch die Augenbrauen zusammen. Er hatte Weston noch nicht gesehen, aber ein Mann von solchem Vermögen, der mit nichts nach Port Royal gekommen war, konnte es nur auf unehrliche Weise erworben haben.

***

„Wir müssen aus diesem Keller raus! Der Captain erwartet uns bestimmt längst zurück.“
John rannte gehetzt auf und ab, während Kat sich an einem der Fässer zu schaffen machte. Sie hatte ihren Dolch aus dem Gürtel gezogen und versuchte den Deckel anzuheben, aber ihre Kraft reichte nicht.
„Na Junge, gibt es auf deinem Schiff nicht genug nahrhafte Mahlzeiten?“
Morris fasste sie scherzhaft am Arm und fühlte ihre Muskeln. Kat entzog ihm hastig ihren Arm. Morris betrachtete sie aufmerksam.
„Captain Bolger versorgt seine Mannschaft hervorragend.“
Kat biss sich auf die Lippen. Ich rede nicht gerade wie ein Schiffsjunge, dachte sie ängstlich, der Mann macht mich nervös.
Morris erwiderte nichts. Er zog sein eigenes Messer und hebelte den Deckel des Fasses auf.
„Unglaublich“, flüsterte Kat, „Silberdublonen, ein ganzes Fass voll.“
Morris kniff die Lippen zusammen. Stapelton hintergeht die Krone, dachte er und sah sich um. Er zählte etwa dreißig Fässer, die aufrecht standen. Der Alte hatte recht behalten, Wut stieg in Morris auf, ein Lager für Notfälle. Halpin streckte sich, blickte über den Fassrand.
„Na, damit kann man`ne Menge Not lindern.“
Der Alte grinste breit, nahm eine Handvoll Dublonen heraus und ließ sie in seiner Jackentasche verschwinden. Kat zögerte, aber als sie Morris prüfenden Blick bemerkte, steckte sie sich ebenfalls ein paar Dublonen in die Tasche. Morris schob den Deckel zurück auf das Fass.
„Es wird Zeit den Keller zu verlassen“, sagte er ernst.
Er wusste noch nicht, was er in dieser Angelegenheit unternehmen würde, aber sein arroganter Schwager würde sich nicht einfach so aus der Affäre ziehen können, dafür würde er sorgen.

© Caroline Susemihl / T.R. aka Wortman